Die Eisenbahner-Baugenossenschaft Bern (EBG) baut den Hauptbau ihrer Siedlung Weissenstein um. Gemeinschaftliche Nutzungen und der Geschäftssitz der EBG bilden die neue, adäquate Nutzung des Erdgeschosses. Altersgerechte Wohnungen und neue Wohnungen im eindrucksvollen Dachraum des Hauptbaus bilden weitere Kernpunkte des Umbaus. Eine nicht alltägliche Bauaufgabe mit einem einmaligen und schützenswerten Bau aus dem 18. Jahrhundert.

Die 1919 – 1925 erstelle Eisenbahner-Siedlung Weissenstein ist eine der bedeutendsten genossenschaftlichen Gartenstadt-Siedlungen der Schweiz. Zusammen mit der Denkmalpflege, dem Stadtplanungsamt und den Grundeigen-
tümern erstellten W2H Architekten 2015/16 ein räumliches Entwicklungskonzept für die Siedlung Weissenstein. Integraler Bestandteil der Studie war auch die Be-
trachtung des schützenswerten Haupthauses des Weissensteinguts. Das Gebäude gilt heute als letzter erhalten gebliebener dreigeschossiger Landsitz aus der Zeit des Spätbarocks in der Umgebung von Bern. Das ehemalige Gutshaus wurde 1920 durch die EBG gekauft, durch den Architekten Franz Trachsel umgebaut und mit dem neuen Südflügel, welcher sich in Stil und Material geschickt dem Herrschaftshaus anpasst, erweitert. Im bestehenden Obergeschoss des Ökonomieteils wurden Wohnungen eingebaut im Erdgeschoss entstanden Lebensmittelgeschäfte.

Zentral ausgerichtet auf die Dübystrasse verweist das Weissensteingut auf seine prägnante Rolle in der Siedlung. Mit gemeinschaftlichen Nutzungen und der Geschäftsstelle der EBG im Mittelhaus sowie Wohnraum für «Wohnen im Alter» im Südflügel entstand ein einladendes Zentrum in der Siedlung für unterschiedliche Altersgruppen. Parallel zur Projektierung erfolgten partizipative Veranstaltungen, moderiert von Dencity, dem Kompetenzzentrum Urbane Entwicklung und Mobilität der BFH. Unterstützt wurde die Förderung von Wohn- und Betreuungsangebote fürs Älterwerden auch durch die Age-Stiftung.

Der imposante Dachraum wurde bisher mit Mansardenzimmern und Estrichräumen genutzt. Zwei zimmergrosse Lichtschächte leiteten Tageslicht bis in die Wohnungen des 1. Obergeschosses. Das Thema des Lichthofes wird aufgenommen und als weiterentwickeltes Element, welches sich in seiner Geometrie deutlich vom Bestand abgrenzt, in Form von gemeinschaftlichen Eingangshallen je zwei Wohnungen erschliesst. Dank der polygonalen Form wirken die Hallen als eigenständige, in den Dachraum hineingestellte Körper. Die vorgefundene Grosszügigkeit des Dachraums bleibt erhalten und erlebbar.

Offen sichtbar bleibt die historische, primäre Dachtragkonstruktion, die Decken und Wände erhalten eine Bekleidung in hellem Fichtenholz. Zusammen bilden die Elemente eine raumprägende, atmosphärische Kraft des Dachraumes. Im Dialog mit der historischen Dachfläche dienen sanft aufgestellte Schlepplukarnen, sowie die Oberlichtverglasungen der inneren Belichtung der Räume.

Entlang vom Mittelhaus belgeitet eine neue, leichte Stahlkonstruktion die Westfassade und stellt bisher nicht vorhandenen Aussenraum für die Wohnungen im ersten Obergeschoss zur Verfügung. Grössere Fenster im Erdgeschoss und die Rekonstruktion von Fassadenelementen führen das Mittelhaus zu einer Einheit zusammen. Der Eintritt in das Gebäude erfolgt ab dem neu entwickelten Zugang in der Verlängerung der alleegesäumten Dübystrasse. Zuzüglich der genossenschaftlich genutzten Flächen im Erdgeschoss entstand im Untergeschoss neuer Veranstaltungs- und Lagerraum.

Im Südflügel wurden durch den Lichtschacht ein neuer Aufzug geführt und die auskragenden Balkone vergrössert. Beide Massnahmen dienen dem «Wohnen im Alter». Die bestehenden Mansardenzimmer werden zu einer neuen, attraktiven Wohnung ausgebaut.

Unsere Arbeit war geprägt von einem ständigen Abwägen zwischen dem Erhalt von historischen oder noch intakten Bauteilen und dem Entwerfen von neuen Elementen unter der Wahrung der Wertschätzung gegenüber dem historischen Bauwerk. Gefundene Ornament- und Farbfragmente vergangener Zeiten konnten zusammen mit den neuen Elementen zu einem stimmigen Bild zusammengefügt werden.

Eckdaten:
– Fertigstellung: Jan. 2020
– Bauherr: Eisenbahner-Baugenossenschaft Bern

Publikation des Umbaus in der Zeitschrift „Hochparterre“, Ausgabe Mai 2021
Publikation des Umbaus in der Zeitschrift „Architektur+Technik“ Ausgabe 7-8/21
Publikation des Umbaus in der Zeitschrift „wohnen“ Ausgabe Dezember 2021
Publikation des Projektes als «Bau der Woche» im Online-Magazin von swiss-architects.ch (Juli 2021)

Fotos: Rolf Siegenthaler